Achtsamkeit

Achtsamkeit ist eine menschliche Funktionsmöglichkeit, keine "Übung" oder "Methode". Sie beruht auf der sensomotorischen, lernbegierigen und lustbetonten Struktur menschlicher Erlebensweisen. Achtsam sein kann jeder.

Eine Funktionsmöglichkeit für den Alltag

Wer achtsam ist, nimmt körperliche Erfahrungen besser wahr und lebt durch wirkliches Erleben. 

Achtsamkeit sollte für den Alltag tauglich sein. achtsamer zu werden, kann leicht wieder aktiviert und erlernt werden. Probierbereitschaft ist dazu förderlich. Achtsamer sein erfüllt mit Freude, macht Spaß.

Es gehört zu den Gewohnheiten unseres Alltagsverhaltens, weitgehend un-achtsam zu sein. Wir verzichten dabei vor allem auf die Wahrnehmung unserer eigenen Befindlichkeiten. Wir sitzen, gehen, laufen, stehen, liegen, greifen und bewegen Lasten, schleppen uns ab, sitzen uns krumm und gewöhnen uns an, die heftiger werdenden Alarmsignale unseres Körper zu ignorieren. Wir gewöhnen uns schlichtweg daran, nicht mehr wahrzunehmen, was unser Organismus empfindet. Wir halten durch, nicht auf ihn zu reagieren, obwohl er eigentlich deutlich genug darum bittet. Später wundern wir uns vielleicht über die Heftigkeit, mit der unser Körper psychosomatische Symptome der Überforderung zeigt. Mit dem Verzicht, körperlich zu erleben, verzichten wir zugleich auf den ganzen Genuss und Reichtum angenehmer Qualitäten, die wir uns durch Körperwahrnehmung erschließen können. Achtsamkeit ist die Brücke zwischen Empfindungen und Wahrnehmu

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Warum körperbasierte Achtsamkeit ?

Achtsames Verhalten kann sich auf viele Tätigkeiten und Objekte ausrichten. Richtet sich Achtsamkeit auf körperliche Wahrnehmungen, kommt dem eine besondere Bedeutung zu. Unser Körper ist unser einziges Instrument der Wahrnehmung und Äußerung. 

Moderne medizinische und psychologische Forschungen zeigen eindeutig: Körperliche (somatische) und geistige (psychische) Prozesse interagieren und korrespondieren. Diese Interaktion funktioniert ungestört nur in einem gesunden menschlichen Organismus. 

Viele Menschen möchten ihr Verhalten verbessern (aus Gründen der besseren Lebensgestaltung, Selbstverwirklichung, Persönlichkeitsentwicklung oder Therapie). Körperliche Erfahrungen stellen für eine solche Arbeit die am leichtesten zugängliche, stets greifbare und überprüfbare Basis dar.

 

Häufige Fehler im Umgang mit Achtsamkeit:

„Achtsamkeit“ ist inzwischen leider zu einem Schlagwort und Modewort verkommen. Achtsamkeit ist keine „Übung“ oder Methode für einen bestimmten Zweck. Häufig verwechseln Erwachsene Achtsamkeit mit etwas, wofür man etwas Bestimmtes tun müsse. Achtsamkeit hat für sie etwas mit Konzentration oder „sich zusammen reißen“ zu tun oder erinnert sie – schlimmer noch – an das Aufpassen müssen ihrer Schulzeit. Achtsamkeit ist aber etwas, das nicht eintritt, wenn wir uns zwanghaft darum bemühen.

Dabei hat jeder Mensch von Beginn seines Lebens an in der Kindheit eine „praktische Schule der Achtsamkeit“ durchlebt. Ohne achtsames Verhalten hätte kein Kind zum Laufen oder zur Aufrichtung, zum verstehenden Hören oder Sprechen finden.

Wen würden wir als achtsam bezeichnen? Vielleicht, wenn wir jemanden beobachten, der ganz bei der Sache ist, die ihn gerade beschäftigt: ein Musiker, der hört, wenn er spielt; ein Tänzer, der mit Leib und Seele dabei ist; ein Kind, das im Spiel vertieft ist... Es erscheint uns dabei eine besondere Qualität des Körperlichen, die Person wirkt ganz, ungeteilt, hingegeben, aufgehend, ganz dabei, eher still und in sich geschlossen und dennoch wach, nicht schläfrig, nicht aufgeregt, eher spielerisch, eher zufällig und reagierbereit und vor allem nicht krampfhaft wollend. Auf merkwürdige Weise stellen sich beim achtsamen Menschen Ruhe und Stille und zugleich Wachheit ein.

Literatur

Didonna, F. (Ed.) (2009) Clinical Handbook of Mindfulness. Springer Science.

Heidenreich, Th. & Michalak, J. (2003) Achtsamkeit („Mindfulness“) als Therapieprinzipin  Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin. Verhaltenstherapie 13, 264-274.

Heidenreich, Th. & Michalak, J. (Hrsg.) (2004) Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie. Tübingen: dgvt.

Klinkenberg, N. (2007) Achtsamkeit in der Körperverhaltenstherapie. Ein Arbeitsbuch mit 20 Probiersituationen aus der Jacoby/Gindler-Arbeit. Stuttgart: Klett-Cotta.

Marlock, G. & Weiss, H. (Hrsg.) (2006) Handbuch der Körperpsychotherapie. Stuttgart – New York: Schattauer.

Zarbock, G., Ammann, A. & Ringer, S. (2012) Achtsamkeit für Psychotherapeuten und Berater. Weinheim, Basel: Beltz.